Re: Leistungsmessung von Megamaggi
...ach ja, Leistungssteigerung im allgemeinen...
...grundsätzlich ne feine Sache, die den Spassfaktor erhöht - wenn's richtig gemacht wird!
Aufgeladene Motoren bieten da im Gegensatz zu Saugmotoren viel Potential, da man auch ohne große mechanische Eingriffe zu ordentlichen Ergebnissen kommen kann.
Begrenzendes Element ist i.d.R. der Abgasturbolader (ATL) - hier genaugenommen der Verdichter: das Verdichterkennfeld hat zwei betriebsrelevante Bereiche, die nicht überschritten werden dürfen: die Pumpgrenze und die Drehzahlgrenze.
Pumpgrenze: dies ist die linksseitige Begrenzung des Verdichterkennfeldes und für niedrige Luftmassenströme bei gleichtzeitig hohen Ladedrücken relevant. Wird ein aufgeladener Motor bei maximaler Last beschleunigt, dann bewegt man sich "von unten raus" sehr nah an der Pumpgrenze entlang. Der BW-K16 des 2.5TFSI ist am Krümmer im Bereich des Turbineneintritts strömungsoptimiert, dies läßt lt. Audi eine recht nah an der Pumpgrenze verlaufende Applikation des Motormanagements zu.
by-the-way: BW (ehemals KKK) hat den K16 schon recht lange im Programm - bereits der 3,6l-6cyl-Bi-Turbo des 964/993 hatte zwei davon verbaut - über mehr als 20 Jahre wurde diese ATL-Baureihe optimiert / verbessert und ist eigentlich ein vollständig anderer ATL...
Wird die Pumpgrenze nun überschritten, dann bricht die Strömung innerhalb des Verdichters kurzzeitig ein, demnach auch der Ladedruck / Luftmassenstrom; dabei wird ein Teil des Luftstroms im Bereich des Verdichterrades (VR) rezirkuliert; da die Luft auf die kurze Strecke an den Schaufeln des VRs zwischen Eintritt stirnseitig und radialem Austritt an der Volute im Verdichtergehäuse durch den Druckanstieg (je höher, desto stärker) stark erwärmt wird, verstärkt sich dieser Effekt beim Pumpen und belastet das Verdichterrad zusätzlich und die Temperatur am VR steigt sehr schnell auf weit über 200°C (vgl. Normalbetrieb: die Erwärmung der Ladeluft ist bei max. Ladedruck im mittleren Drehzahlbereich des Motors am höchsten -> ca. 150°C Temperaturdelta VR-Eintritt zu -Austritt)
Der Begriff "Verdichter-Pumpen" kommt von den pulsartigen Einbrüchen des Luftmassenstroms/Ladedrucks: die Strömung bricht ein, der Ladedruck sinkt -> der Motor erhält weniger Füllung -> die Turbine wird wengier angeschoben -> die ATL-Drehzahl sinkt geringfügig -> die Strömung stabilisiert sich -> der Druck baut sich wieder auf -> die Pumpgrenze wird wieder überschritten -> usw.
Das kann durchaus mehrmals pro sec geschehen.
PkW-ATL haben gegossene (neuere tlw auch gefräste) Aluminium-VR, welche ab ca. 180..200°C hinsichtlich Materialeigenschaften stark abbauen - ein häufiges Überschreiten der Pumpgrenze reduziert die Lebensdauer des VR dramatisch.
Anm.: es gibt auch VR aus Titanlegierungen -> extrem teuer, trägeres Ansprechverhalten wg. höherer Masse (Anwendung eher im NFz-Bereich wg. Lebensdauer)
Drehzahlgrenze: Um die Lebensdauer einer üblichen Motorauslegung von 6000 h zu erreichen, werden heutige Serienapplikationen von ATL auf eine max. Umfangsgeschwindigkeit der VR von ca. 560 m/s ausgelegt. Für den BW K16 im 2.5TFSI mit 55mm VR-Durchmesser bedeutet das eine Grenzdrehzahl von ca. 195000 U/min.
Wird diese Drehzahl deutlich (oder auch häufiger um einen gewissen Betrag) überschritten, wird die mechanische Belastungsgrenze des VR irgendwann erreicht und im schlechtesten Fall führt dies zum Bersten des VR (wer Glück hat, nur zu verbogenen VR-Schaufeln) - was die Teile, die dann durch Ladeluftkühler, Gaswechselventile, Zylinderkopf und Turbine bis zum KAT fliegen, dabei anrichten können, kann sich jeder ausmalen...
Zurück zur Leistungssteigerung: bei Serienapplikationen muss sichergestellt sein, dass unter allen Betriebsbedingungen die Pumpgrenze und die Drehzahlgrenze nicht überschritten wird! Ansonsten geht das auf die Lebensdauer des ATL und ggfs des Motors als Folgeschaden.
Verschärft wird dies u.a. durch das sog. "Höhenproblem". Ein Turboverdichter wird in heutigen Ottomotoren auf einen absoluten Ladedruck geregelt, nicht auf den Differenzdruck des Verdichters. Somit wird bei niedrigem Luftdruck und hohen Temperaturen (bsp heisser Sommertag in den Alpen) das Druckverhältnis größer und man kommt damit zwangsläufig näher an die Grenzen. Um diesem Problem zu begegnen, haben manche OEMs bei neuen Motorapplikationen damit begonnen, einen p1-Sensor (=Drucksensor zwischen Luftfilter und Verdichtereintritt) einzusetzen. Der 2.5TFSI hat keinen.
Gleiches geschieht übrigens bei "beladenen" (verschmutzten) oder nassen/gefrorenen Luftfiltern: bei hohen Luftmassendurchsätzen entsteht ein Druckgefälle über den Luftfilter und führt somit zu einer erhöhten ATL-Drehzahl = höheres Totaldruckverhältnis, damit der Soll-Ladedruck erreicht wird.
Da alle Subsysteme eines Motors, angefangen vom ATL über alle Steller bis ECU mit Sensorik und Aktorik toleranzbehaftet sind, müssen gewisse Sicherheitsabstände eingehalten werden.
Damit "verschenkt" man letztendlich Drehmoment und Leistung - und genau da setzt Tuning an.
Ich habe jetzt recht weit ausgeholt - aber allein aus den obigen Zusammenhängen wird klar, dass für eine vernüftige Leistungssteigerung alleim beim ATL einiges zu beachten ist und die Sache daher recht aufwändig appliziert werden muss - für eine komplette Abstimmung ist eine Woche Prüfstand schon mal weg...
"Schreibtisch-Tuning" ist da reine Glückssache und macht m.E. wenig Sinn - auch wenn einer meint, "viel Erfahrung" zu haben - man kommt um Messtechnik am Motor nicht herum!
Die Applikation nah an der Pumpgrenze ist nicht ganz trivial, da man theoretisch eine Höhenkammer braucht - hat außer den OEMs kaum jemand.
Die Drehzahlgrenze ist ein reiner Lebensdauer-Aspekt (ein Entwickler eines großen Turbolader-Hersteller hatte mir mal gesagt: "das Verdichterrad verzeiht nichts und merkt sich alles! jede Überschreitung der Grenzdrehzahl reduziert die Lebensdauer - von langem Leben bis plötzlichem Tod ist alles drin!")
Prinzipiell könnte man das Ende eines VR vorhersagen (es gibt recht gut abgesicherte statistische Auswertungen und Weibull-Verteilungen), wenn man denn das Drehzahlkollektiv des VR und dessen Temperaturverteilung kennen würde - derzeit mangels Sensorik am ATL jedoch nicht möglich.
übrigens: hier kann man einiges über ATL nachlesen und sich auch ein Verdichterkennfeld ansehen:
http://www.turbos.bwauto.com/products/default.de.aspx
Grüße,
lerri
p.s.: Motorenentwickler? ...sagen wir mal: ich stecke da sowohl beruflich, als auch privat neben anderen Themen rund um den Motor, tief drin...